Nutzungsausfall (auch) bei Abrechnung „nach Gutachten“ und Erstattungsfähigkeit der Reparaturbestätigung
In einem von uns erstrittenen (rechtskräftigen) Urteil vom 12.04.2021, Az. 23 O 899/20, hat sich das Landgericht Schweinfurt umfassend zu Fragen zum Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung (also ohne Vorlage einer Reparaturrechnung) sowie der Erstattungsfähigkeit und den Anforderungen an eine Reparaturbestätigung geäußert:
Nutzungsausfall auch bei fiktiver Abrechnung grds. ersatzfähig für die Dauer, die für die Reparatur in einer Fachwerkstatt objektiv erforderlich ist:
Der Umstand, dass die Parteien vorliegend nicht die tatsächliche Durchführung der Reparatur reguliert haben, sondern der Kläger den Unfallschaden gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB fiktiv auf Basis eines Sachverständigengutachtens beansprucht hat, ändert an der Ersatzfähigkeit des Nutzungsausfalls grundsätzlich nichts. In einem solchen Fall besteht der Anspruch auf Ersatz eines Nutzungsausfalls allerdings allein während derjenigen Dauer, die für die Reparatur objektiv erforderlich ist, selbst wenn etwa eine tatsächlich durchgeführte Selbstreparatur unter Umständen längere Dauer beansprucht haben mag.
Bei fiktiver Abrechnung sind bei der Berechnung der Dauer des Nutzungsausfalles Samstage und Sonntage zu den für die Reparatur objektiv erforderlichen Arbeitstagen hinzuzurechnen, wenn eine Werkwoche von 5 Arbeitstagen überschritten wird:
Ist die Reparaturdauer mit 6 Werktagen zu bemessen, so ist bei fiktiver Abrechnung ein Nutzungsentgang von 8 Tagen ersatzfähig, da allgemein bekannt ist, dass unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Arbeitswoche – Reparaturen in Werkstätten finden regelmäßig nicht an Sams- und/oder Sonntagen statt – dem Geschädigten die Nutzung seines Fahrzeuges durch eine Reparatur damit letztlich neben den 6 Werktagen auch an den beiden notwendig zwischen jenen Werktagen liegenden beiden Wochenendtagen (Sams- und Sonntag) entgangen wäre.
Bei fiktiver Abrechnung kann das Gericht die objektiv erforderliche Reparaturdauer nach § 287 ZPO schätzen und dabei der Einschätzung des Parteigutachters folgen. Pauschale Einschätzungen von Prüfdienstleistern sind hierbei unbeachtlich:
Angesichts des zwischen den Parteien unstreitigen Haftungsgrunds unterfällt die Bemessung des zu leistenden Schadensersatzes als Frage der Rechtsfolgen gemäß § 287 ZPO der ermessensgeleiteten Schätzung des Gerichts.
Das Gericht legt seiner Schätzung die Ausführungen des Privatsachverständigen zu Grunde, der die Reparaturzeit mit der genannten Dauer festgestellt hat. Die Ausführungen des Sachverständigen begegnen keinen Zweifeln. Zwar haben die Beklagten die Berechtigung jener Feststellungen unter Vorlage einer Einschätzung der carexpert GmbH in Frage gestellt und eine „korrigierte/bestätigte“ Reparaturdauer von 3/4 Arbeitstagen angeführt, spezifische Tatsachen, wie sich solch eine geringere Reparaturdauer ergeben soll, sind dem Prüfbericht der carexpert GmbH allerdings nicht zu entnehmen. Anders verhält es sich mit den Feststellungen des Privatsachverständigen, der in seinem Gutachten die durchzuführenden Reparaturen insbesondere auch hinsichtlich der dabei einzusetzenden Arbeitswerte (= „AW“) im Detail aufgeschlüsselt hat. Auf diese Weise sind die Feststellungen des Privatsachverständigen plausibel und nachvollziehbar, im Gegensatz zu der pauschalen Einschätzung der carexpert GmbH, auf die die Beklagte sich ohne nähere Darlegungen beziehen.
Kosten für die Erstellung einer Reparaturbestätigung zählen zum ersatzfähigen Schaden:
Die Reparaturbescheinigung hat als Beweismittel insbesondere Bedeutung für die Frage der Reparaturdurchführung und ist damit Voraussetzung dafür, im Falle eines erneuten Verkehrsunfalls die an den Geschädigten gestellte strenge Beweislast bzgl. der Beseitigung der Erst-Unfallschäden erfüllen zu können. Aus diesem Grund zählen die Kosten einer Reparaturbestätigung zum ersatzfähigen Schaden, zumal die Beschädigung des klägerischen Mercedes an das HIS gemeldet worden ist und die Frage nach der Reparatur des hiesigen Unfallschadens bei einer erneuten Beschädigung naheliegend gestellt werden kann.
Aus einer Reparaturbestätigung muss (sinngemäß) hervorgehen, dass die Reparatur gemäß den Anforderungen des zuvor erstellten Reparaturgutachtens stattgefunden hat:
Maßgeblich im vorliegenden Fall ist allein, dass die Bestätigung gerade von demjenigen Sachverständigen ausgestellt worden ist, der zuvor bereits Umfang und Inhalt der durchzuführenden Reparaturmaßnahmen festgestellt hatte. Entsprechend ist die Reparaturbestätigung auch ohne ausdrücklichen Vermerk so zu verstehen, dass die Reparatur „laut Gutachten“ o.ä. stattgefunden hat, nämlich gemäß den Anforderungen des zuvor erstellten Reparaturgutachtens.
Eine Kostenpauschale von 35 € zzgl. MwSt. ist für die Erstellung einer Reparaturbestätigung durch einen Sachverständigen gerechtfertigt:
Die Beklagten haben dem Kläger daher den mit 41,65 € für die Erstellung der Reparaturbestätigung in Rechnung gestellten Betrag zu erstatten. Der hiergegen vorgebrachte Einwand, der Sachverständige habe im Rahmen der Erstellung der Bestätigung unnötigerweise kostenauslösend Lichtbilder angefertigt, geht ersichtlich fehl. Dies deshalb, weil der Sachverständige dem Kläger jedenfalls nicht die Anfertigung von Lichtbildern in Rechnung gestellt hat; der Sachverständige hat stattdessen eine Honorarpauschale von 35 € (zzgl. MwSt.) abgerechnet. Zweifel an der Berechtigung der Höhe dieser Pauschale hat das Gericht nicht.
Ihr Ansprechpartner
Günter Grüne
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV