Reparaturkosten mit Rechnung nachgewiesen – Einwände des Versicherers unbeachtlich
Die Versicherungsbranche hat sich offenbar nach den Angriffen auf die fiktive Schadensabrechnung nunmehr auch vermehrt auf die Abrechnung auf Reparaturkostenbasis eingeschossen. So wurden in letzter Zeit häufiger einzelne Positionen auf Reparaturrechnungen und beim Reparaturweg in Zweifel gezogen, die sich jedoch genau so auch im vom Geschädigten in Auftrag gegebenen Schadensgutachten wiederfinden.
Die hiesige Rechtsprechung ist dieser Praxis nunmehr entgegengetreten.
Das OLG Bamberg führte im von uns erstrittenen Urteil vom 18.02.2020, Az. 5 U 310/19, zunächst aus,
dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten der Geschädigten bei den Maßnahmen zur Schadensbehebung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, sobald sie einen Auftrag zur Behebung des Schadens (z.B. Auftrag zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich des Schadens oder zur Durchführung der Reparatur) erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben hat, da diese die Grenzen mitbestimmen, was zur Behebung des Schadens im Sinne des § 249 BGB erforderlich ist. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, wenn die Geschädigte bei Ausübung der ihr durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis – sei es aus materiell-rechtlichen Gründen, zum Beispiel in Anwendung des § 278 BGB, oder aufgrund der Beweislastverteilung – im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung ihrem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, von der Geschädigten und vom Schädiger nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Es kann der Geschädigten daher weder ein unsachgemäßes noch unwirtschaftliches Arbeiten der Fachleute, die sie im Zusammenhang mit der Behebung des Schadens (Sachverständiger in Bezug auf Erstellung eines Schadensgutachtens und/oder Werkstatt bezüglich der in Auftrag gegebenen Reparaturarbeiten) beauftragt hat, zur Last gelegt werden. Insoweit trägt der Schädiger das Risiko, dass die beauftragten Fachleute unsachgemäß und/oder unwirtschaftlich vorgegangen sind (vgl. zum Ganzen, BGH NZV 14,163; BGH NJW 75,160). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat daher die Beklagte auch den Betrag von 208,25 € zu ersetzen, selbst wenn dieser aufgrund eines unsachgemäßen Vorgehens des Sachverständigen verursacht worden sein sollte.
Mit anderen Worten: Sofern der Geschädigte als technischer Laie – und das wird als Regelfall sein – nicht erkennen kann, dass am Fahrzeug Reparaturen vorgenommen werden, die in irgendeiner Form nicht erforderlich oder unnötig sind, muss der Schädiger bzw. dessen Versicherung die Rechnung selbst dann vollständig ausgleichen, wenn der Einwand der Versicherung gegen die vorgenommenen Reparaturen zutreffend wäre.
Diese Rechtsprechung wenden nunmehr auch das LG Schweinfurt im Urteil vom 29.05.2020, Az. 22 S 2/20, sowie das AG Bad Kissingen im ebenfalls von uns erstrittenen Urteil vom 28.07.2020, Az. 72 C 110/20, ohne jegliche Einschränkung an und erteilen den Kürzungen von Versicherungen eine Absage.
Ihr Ansprechpartner
Günter Grüne
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV