Erfolgreiche Durchsetzung von Sachverständigenkosten für KFZ-Sachverständige
Amtsgericht Schweinfurt, Urteil vom 06.05.2025, Aktenzeichen 10 C 158/25
Als spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei für Verkehrsrecht konnten wir erneut Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht durchsetzen.
1. BVSK 2022 als taugliche Schätzgrundlage
Das Gericht bestätigte erneut die Verwendbarkeit der BVSK-Befragung: Bei der Schadensschätzung wurde die BVSK 2022 als taugliche Schätzgrundlage herangezogen, da es sich um eine bundesweite Befragung mit einer Vielzahl unabhängiger Sachverständiger handelt.
Mit Einführung der BVSK 2022 wurde der maßgebliche Kritikpunkt behoben, dass Nebenkosten nicht erfasst würden.
2. Honorarberechnung nach Schadenshöhe zulässig
Gegen die Bemessung der erforderlichen Sachverständigenkosten unter Orientierung an der Schadenshöhe bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Ein KFZ-Sachverständiger überschreitet nicht die Grenzen rechtlich zulässiger Preisgestaltung, wenn er eine angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt.
3. Erstattungsfähige Nebenkosten
Das Gericht erkannte folgende Nebenkosten als erstattungsfähig an:
- Schreibkosten: Schreibkosten waren grundsätzlich zu ersetzen und stellen die übliche Vergütung dar. Die Kosten zur Erstellung waren jedenfalls für das Original zu ersetzen
- Fotokosten: Fotokosten waren zu ersetzen, werden üblicherweise gesondert abgerechnet und die gefertigten Lichtbilder waren erforderlich
- EDV-Kosten: Die Kosten der EDV-Programme waren zu ersetzen, jedoch nicht für die Reparaturkalkulation, sondern für Mietwagengruppe und FIN-Abfrage
Praktische Bedeutung
Dieses Urteil stärkt die Position von KFZ-Sachverständigen und bestätigt etablierte Abrechnungspraktiken. Besonders hervorzuheben ist die Anerkennung der BVSK 2022 und die detaillierte Aufschlüsselung erstattungsfähiger Nebenkosten.
Wir verfügen über umfassende Expertise in der Durchsetzung von Sachverständigenkosten und kennen die aktuellen Entwicklungen der Rechtsprechung. Kontaktieren Sie uns für eine erfolgreiche Zusammenarbeit!
Amtsgericht Schweinfurt
Az. 10 C 158/25
IM NAMEN DES VOLKES
in dem Rechtsstreit
[…]
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Grüne & Partner Rechtsanwälte mbB, Mainberger Straße 36, 97422 Schweinfurt, Gz. 590/24 GG
gegen
[…]
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Schweinfurt durch den Richter am Amtsgericht […] am 06.05.2025 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2025 folgendes
Endurteil
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 69,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.02.2025 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 69,97 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
1. Der Klägerin hat Anspruch gegen die Beklagte auf Ausgleich der erforderlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenen Recht.
1.1. Der Kläger konnte Erstattung der ihm abgetretenen Sachverständigenkosten verlangen.
1.2. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen – sog. „Ersetzungsbefugnis“. Hat sich der Sachverständige, wie hier der Kläger, die Schadensersatzforderung des Geschädigten in Höhe der Honorarforderung abtreten lassen, kann er sich als Zessionar allerdings nicht auf das Sachverständigenrisiko berufen. Die diesbezüglich im Urteil des BGH vom 16.1.2024 (r+s 2024, 332 Rn. 23-25) entwickelten Grundsätze gelten entsprechend für den Sachverständigen:
1.2.1. Nach § 399 Alt. 1 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Eine solche Inhaltsänderung wird auch dann angenommen, wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerposition aber besonders schutzwürdig ist (stRspr, vgl. BGH NJW-RR 2020, 779 Rn. 76; NJW 2010,1074 Rn. 27; BGHZ 96,146, 148f. Rn. 16f. NJW 1986, 713; vgl. ferner MüKoBGB/Kieninger, 9. Aufl. BGB § 399 Rn. 24 Rn. 22; Staudinger/Busche BGB, 2022, BGB § 399 Rn. 22, jew. mwN)
1.2.2. Dieser Rechtsgedanke greift hier insofern Platz, als sich der Geschädigte im Verhältnis zum Schädiger auch bei unbeglichener Rechnung auf das Sachverständigenrisiko berufen kann, wenn er Zahlung an den Sachverständigen verlangt. Denn insoweit hat der Schädiger ein besonders schutzwürdiges Interesse daran, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibt. Allein im Verhältnis zu diesem ist nämlich die Durchführung des Vorteilsausgleichs in jedem Fall möglich, weil der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger und die im Wege des Vorteilsausgleichs abzutretenden (etwaigen) Ansprüche gegen den Sachverständigen in einer Hand (beim Geschädigten) liegen. Dies ist nach der Abtretung der Schadensersatzforderung an den Sachverständigen nicht mehr der Fall. Der Schädiger verlöre daher regelmäßig das Recht, seine eigene Zahlungsverpflichtung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen zu erfüllen. Bei einer-wie hier – erfolgten Abtretung an den Sachverständigen ist bei wertender Betrachtung zudem in den Blick zu nehmen, dass die Grundsätze zum Sachverständigenrisiko nach ihrer dogmatischen Herleitung nur dem Geschädigten, nicht aber dem Sachverständigen selbst zugutekommen sollen (vgl. Senat r+s 2024, 332 Rn. 23 f.)
1.2.3. Nach all dem lässt sich die Option des Geschädigten, sich auch bei unbeglichener Rechnung auf das Sachverständigenrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte übertragen. Im Ergebnis trägt daher bei Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht stets der Zessionar das Sachverständigenrisiko. Im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer hat folglich der Zessionar – hier der klagende Sachverständige – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Maßnahmen im Rahmen der Begutachtung tatsächlich durchgeführt wurden und dass die geltend gemachten Begutachtungskosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise des Sachverständigen oder – bei Berechnung des Honorars nach der Höhe des Schadens – wegen unzutreffender Schadensermittlung nicht erforderlich waren (vgl. BGH r+s 2024, 332 Rn. 25 sowie NJW 2024,2035 Rn. 22-25, beck-online)
1.3. Unter diesen Prämissen gilt folgendes:
1.3.1. Als Teil des Schadens konnte der Geschädigte grundsätzlich Zahlung von Gutachterkosten geltend machen. Gibt der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Höhe des Schadens in Auftrag, kann er Erstattung dieser Kosten vom Schädiger, hier der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Schädigers, insoweit verlangen, als diese Kosten gemäß § 249 Abs. 2 S.1 BGB objektiv erforderlich waren.
1.3.1.1. Eine Preisvereinbarung ist weder vorgetragen noch aus den eingereichten Unterlagen ersichtlich. Soweit keine Preisvereinbarung getroffen wurde, ist die (objektiv) übliche Vergütung im Sinne des § 632 BGB geschuldet. Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte ist der nachfolgende Betrag notwendig im Sinne des § 249 Abs. II S.1 BGB.
1.3.1.2. Grundhonorar
Bei der Schadensschätzung wurde die BVSK 2022 als Schätzgrundlage herangezogen. Es handelt sich hierbei zur Überzeugung des Gerichts um eine taugliche Schätzgrundlage (so auch z.B. OLG München, BeckRS 2016, 4574, Rn. 20 f. zur BVSK 2015) Die BVSK-Befragung ist bundesweit erfolgt und es hat eine Vielzahl von unabhängigen Sachverständigen an ihr teilgenommen. Gegen die Bemessung der erforderlichen Sachverständigenkosten unter Orientierung an der Schadenshöhe bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Ein Kraftfahrzeugsachverständiger überschreitet allein dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt, die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung grundsätzlich nicht. Schadensgutachten dienen in der Regel dazu, die Realisierung von Schadensersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrags wird als Erfolg geschuldet; hierfür haftet der Sachverständige. Deshalb trägt eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist (so BGH, Urteil vom 24.10.2017 – VI ZR 61/17, Rn. 24; im Ergebnis ebenso OLG München Endurteil v. 26.2.2016 – 10 U 579/15, BeckRS 2016, 4574, Rn. 17) Gerade dieser durchaus maßgebliche Umstand gerät bei einer Bemessung nach Zeitaufwand vollkommen außer Blick und spricht gegen einen solchen Vergütungsansatz. Die Heranziehung der BVSK-Befragung widerspricht zudem nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH. Dass die Befragungen der BVSK grundsätzlich nicht geeignet sind, als taugliche Schätzgrundlage zu dienen, hat der BGH nicht entschieden. Er hat in der Entscheidung vom 22.07.2014 (NJW 2014, 3151 ff.) nur die vom Berufungsgericht angeführten Gründe, die BVSK-Befragung nicht anzuwenden, überprüft und erklärt, dass die dort aufgeführten Bedenken gegen die Anwendung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Zudem wurde mit Einführung der BVSK 2022 der maßgebliche Kritikpunkt, nämlich, dass Nebenkosten nicht erfasst würden, behoben. Unter Berücksichtigung der Honorarkorridore HB V der BVSK Befragung 2022 für Reparaturaufwendungen zzgl. merkantiler Minderwert bis zu 4.500,00 gibt diese einen Korridor von 662 € – 735 € vor. Das abgerechnete Grundhonorar bewegt sich noch innerhalb dieses Korridors, ist somit als erforderlich anzusehen. Eine Kürzung auf den Mittelwert, wie es die Beklagte vorgenommen hat, war nicht erforderlich. Auch der objektiv eingetretene Schaden ist der Höhe nach zu schätzen. Der in BVSK angegebene Honorarkorridor stellt Mittelwerte dar.
Bis zu deren Obergrenze ist das Honorar daher als erforderlich anzusehen.
1.3.1.3. Nebenkosten
Die Klägerin kann die geltend gemachten Nebenkosten beanspruchen, Auch diese unterfallen dem zur Schadenswiedergutmachung erforderlichen Betrag. Es konnte dahinstehen, ob die Geschädigte mit dem Sachverständigen eine gesonderte Abrede über die Vergütungspflicht von Nebenleistungen abgeschlossen hat. Was zu vergüten ist bzw. durch das Grundhonorar abgegolten sein soll, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Geschuldet wird demgemäß, soweit eine konkrete Abrede nicht gegeben sein sollte, zumindest die übliche Vergütung nach § 632 BGB. Bezüglich der monierten Nebenkosten „Schreibkosten“ sowie „Fotokosten“ gilt folgendes:
1.3.1.3.1. Schreibkosten, Fotokosten
Schreibkosten waren grundsätzlich zu ersetzen. Diese stellen gerade die übliche Vergütung dar. Die Kosten zur Erstellung waren jedenfalls für das Original zu ersetzen. Auch bei elektronischer Übersendung war dieses zu erstellen.
1.3.1.3.1.1. Soweit geltend gemacht wird, dass in den geltend gemachten Schreibkosten auch Seiten des automatisch gefertigten Reparaturablaufs enthalten sind, ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Zu ersetzen ist die (objektiv) übliche Vergütung im Sinne des § 632 BGB geschuldet. Soweit aus der bisherigen Tätigkeit anlässlich Fällen der Abrechnung von Sachverständigen ersichtlich, werden die Schreibkosten anhand des tatsächlich erstellten Gutachtenumfangs berechnet.
1.3.1.3.2. Fotokosten waren zu ersetzen. Diese werden üblicherweise gesondert abgerechnet und unterfallen gerade nicht der Hauptleistungspflicht. Die gefertigten Lichtbilder waren auch erforderlich. Der Kläger konnte für das Gericht nachvollziehbar erklären, aus welchen Gründen die jeweils monierten Lichtbilder benötigt wurden. Das Gericht hat sich diesen Angaben nach eigenständiger Prüfung angeschlossen.
1.3.1.4. EDV-Kosten
Die Kosten der in Anspruch genommenen EDV-Programme waren zu ersetzen. Nicht zu ersetzen sind dabei die Kosten der Reparaturkalkulation, da diese bei jedem Gutachten anfallen. Zu ersetzen sind jedoch Kosten für die Ermittlung der Mietwagengruppe sowie der FIN-Abfrage. Die erforderlichen Kosten wurden daher mit mind. 3,50€ geschätzt.
[…]
gez. […] Richter am Amtsgericht
Verkündet am 06.05.2025 gez. […], JAng Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle