Landgericht Schweinfurt zum Totalschaden: Restwertangebot des Versicherers ist bei Weiternutzung des Fahrzeugs unbeachtlich
Manche Rechtsfragen scheinen durch die Rechtsprechung eindeutig geklärt. Dies hindert jedoch einzelne Haftpflichtversicherer nicht daran, auch hier ihre Grenzen „austesten“ zu wollen.
Im vorliegenden Fall hat die gegnerische Haftpflichtversicherung eine derartig eindeutige Rechtsprechung, unter Anderem des Bundesgerichtshofes, schlichtweg ignoriert – es musste also Klage erhoben werden.
Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben – aber auch dies führte nicht dazu, dass der Versicherer dies akzpetierte. Erst nach der Berufungseinlegung konnte nunmehr das Landgericht Schweinfurt endgültig für Klärung sorgen:
So kann der Geschädigte, der im Totalschadensfall sein unfallbeschädigtes Fahrzeug – ggf. nach einer (Teil-)Reparatur – weiter nutzt, bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten den in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelten Restwert in Abzug bringen lassen. Der vom Geschädigten mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung beauftragte Sachverständige hat als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt zu ermitteln und diese in seinem Gutachten konkret zu benennen.
lm Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung kann der Geschädigte dabei aber nicht auf ein höheres Restwertangebot verwiesen werden, das er wegen der tatsächlichen Weiternutzung des Fahrzeugs nicht realisieren kann. Zwar können besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben, ohne Weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen und durch die Verwertung seines Fahrzeugs in Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses den ihm entstandenen Schaden auszugleichen (vgl. BGH, NJW 2005, 357 = VersR 2005, 381). Doch müssen derartige Ausnahmen, deren Voraussetzungen zur Beweislast des Schädigers stehen, in engen Grenzen gehalten werden, weil anderenfalls die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde, wonach es Sache des Geschädigten ist, in welcher Weise er mit dem beschädigten Fahrzeug verfährt. Insbesondere dürfen dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen werden. Dies wäre jedoch der Fall, müsste er sich einen Restwert anrechnen lassen, der lediglich in einem engen Zeitraum auf einer Restwertbörse zu erzielen ist.
Zum Volltext der Entscheidung: LG Schweinfurt, Urteil vom 04.04.2024, Az. 33 S 48/23 e
Ihr Ansprechpartner
Günter Grüne
Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV