Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge

Unserem Mandanten wurde aufgrund einer sog. „Drogenfahrt“ mit dem PKW die Fahrerlaubnis entzogen. Hiermit gab sich das Landratsamt jedoch nicht zufrieden und wollte unserem Mandanten sogar das führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, wie z. B. Fahrrädern, verbieten. Nachdem es für die Ungeeignetheit zum führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge jedoch keine konkreten Anhaltspunkte gab, hat das Verwaltungsgericht Würzburg den Bescheid – wie zunächst auch vorläufig im Eilverfahren – mit Urteil vom 22.01.2020, Az. W 6 K 19.1403, auf unsere Klage hin diesbezüglich aufgehoben:

Die Klage ist jedoch begründet, soweit dem Kläger in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides auch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt wurde.

2.1

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet dafür erweist. Gemäß der Verordnungsbegründung zu § 3 FeV gilt diese Vorschrift für Personen, die kein fahrerlaubnispflichtiges Kfz führen, sondern in anderer Weise am Straßenverkehr teilnehmen, z.B. als Fahrrad- und Mofafahrer und Lenker von Fuhrwerken (vgl. BR-Drucks 443/98, S. 237; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 3 FeV Rn 10). So ermächtigt die Vorschrift zum Beispiel nicht zu behördlichen Maßnahmen gegen Fußgänger, die ungeeignet oder nur noch eingeschränkt geeignet sind zur Teilnahme am Straßenverkehr (Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 3 Rn. 10). Es gilt der Eignungsbegriff des § 2 Abs. 4 StVG, allerdings mit der Einschränkung, dass für die Anwendung des § 3 nur solche Mängel relevant sind, die sich auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen beziehen. Die Ungeeignetheit oder bedingte Eignung zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich somit grundsätzlich nach den Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtigen Kfz gelten (Hentschel/König/Dauer, a.a.O., 3 FeV Rn. 11). Danach ist geeignet, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die §§11-14 FeV finden gemäß § 3 Abs. 2 FeV entsprechende Anwendung. Entsprechend anwendbar ist damit auch die Anlage 4 zu den §§11, 13 und 14 FeV, jedenfalls soweit sich dort aufgeführte Mängel auch auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen beziehen lassen, denn die in der Anlage 4 zur FeV aufgeführten Mängel beziehen sich auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 (Fahrerlaubnisklassen A und B) und 2 (Fahrerlaubnisklassen C und D). Eignungsrelevante Mängel bezüglich fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge werden in der Anlage 4 zur FeV ausdrücklich nicht geregelt. Hierbei ist auch zu beachten, dass die Verkehrsteilname z. B. mit einem Fahrrad im Straßenverkehr Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ist und die Fortbewegung mit diesem Verkehrsmittel grundsätzlich voraussetzungslos allen Personen, etwa auch kleinen Kindern und alten Menschen, erlaubt ist. Auch ist zu berücksichtigen, dass bei fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen die Sicherheit des Straßenverkehrs und anderer Verkehrsteilnehmer wegen ihrer erheblich geringeren Geschwindigkeit und Masse typischerweise nicht im gleichen Ausmaß wie mit Kraftfahrzeugen gefährdet ist, wenn auch das Gefährdungspotenzial, das etwa von einem ungeeigneten Fahrradfahrer ausgeht, keinesfalls als gering eingeschätzt werden kann. Zum Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge fehlt gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV im Regelfall die Eignung im Falle der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (Ausnahme Cannabis), unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und dem Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber mindestens einmal sogenannte harte Drogen konsumiert hat (st Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 11 CS 17.601 juris; OVG NRW, B.v. 23.7.2015 – 16 B 656/15 – juris m.w.N.), weshalb – wie oben dargestellt – auch die Nichteignung zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen beim Kläger vorliegt. Inwieweit diese Regelung uneingeschränkt auch auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge anzuwenden ist, kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben, denn aus der Nichteignung eines Fahrers zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen mit der Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis kann nicht gleichsam automatisch die Befugnis folgen, ihm auch die Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zu verbieten. Ein derartiges Verbot setzt vielmehr die Feststellung voraus, dass der Betreffende gerade auch ungeeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ist und die konkreten Umstände des Einzelfalls Anlass zu der begründeten Annahme geben, der Betroffene werde voraussichtlich in überschaubarer Zukunft ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug im Zustand der Nichteignung führen und so zu einer konkreten Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer werden (OVG Lüneburg, B. v 2.2.2012 – 12 ME 274/11; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 8.6.2011 -10 B10415/11 – jeweils juris; Hentschel/König/Dauer, a. a. O., § 3 FeV Rn. 20).

2.2

Solche konkreten anlassgebenden Umstände können vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Zwar ist dem Landratsamt zuzugestehen, dass die Einnahme von Amphetamin auch die Ungeeignetheit zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge indizieren kann. Jedoch sind weder der vorgelegten Behördenakte noch dem Vortrag des Klägers hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Kläger in der Vergangenheit neben einem Kraftfahrzeug bereits fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge (z. B. Fahrrad, Mofa) genutzt hat oder in Zukunft zu nutzen beabsichtigt. Der Schluss des Landratsamts, der Kläger werde infolge des Entzugs seiner Fahrerlaubnis auf die Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ausweichen, um die im ländlichen Raum wechselnden künftigen beruflichen Einsatzorte zu erreichen, ist nicht zwingend. Es bleibt dem Kläger die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, der Anschluss an eine Fahrgemeinschaft oder das Sich-Fahren-Lassen durch Angehörige bzw. Freunde und nicht zuletzt die Teilnahme am Straßenverkehr als Fußgänger, z. B. wenn seitens der Berufsfachschule die Praktikumsstellen wegen der besonderen Umstände wohnortnah vergeben werden. Konkrete Feststellungen bzw. Ermittlungen im Hinblick auf den Besitz oder die bisherige bzw. künftige Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wurden seitens des Landratsamts nicht unternommen. Hierauf hat das Gericht bereits im vorangegangenen Eilverfahren (W 6 S 19.1404, B.v. 6.11.2019) hingewiesen. Auch die Klägerseite hat sich hierzu nicht geäußert. Ob zwischenzeitlich Veränderungen eingetreten sind (z. B. Anschaffung eines Fahrrads etc.) ist deshalb nicht bekannt. Soweit das Landratsamt im Schriftsatz vom 19. Dezember 2019 darauf hingewiesen hat, dass sich aus dem Vortrag im Klageschriftsatz des Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2019 (S. 5 unten) konkrete Anhaltspunkte für die Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ergäben, da dort ausgeführt wird, dass durch die Entziehung der Fahrerlaubnis und „insbesondere auch das Verbot des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen“ die Fortführung der Ausbildung und damit die wirtschaftliche Zukunft des Klägers ernstlich gefährdet sei, was bei verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden könne, dass beabsichtigt sei, die Fortführung der Ausbildung und die hierfür notwendige Ableistung von Praktika mit Einsatzorten im ländlichen Raum durch die Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge sicherzustellen, kann dem nicht gefolgt werden, da – wie oben dargestellt – dieser Schluss nicht zwingend ist und sich in reiner Vermutung erschöpft. Die Formulierung im Schriftsatz kann deshalb nicht als hinreichender Anhaltspunkt für eine (künftige) tatsächliche Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gewertet werden. Unabhängig von der Frage, was als maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt im Untersagungsverfahren anzusehen ist (strittig; zuletzt BayVGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274 – juris; maßgeblich Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; nicht rechtskräftig, Revision zugelassen), besteht auch unter dem Gesichtspunkt der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) und der Verpflichtung zur Spruchreifmachung eines Verfahrens (§113 Abs. 3 und 5 VwGO) im Rahmen der Eingriffsverwaltung keine Verpflichtung des Gerichts ohne weitere Anhaltspunkte anstelle des Landratsamts notwendige Ermittlungen anzustellen, zumal bereits im vorangegangenen Eilverfahren auf die fehlenden Anhaltspunkte für eine tatsächliche oder konkret zu erwartende Verkehrsteilnahme mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen hingewiesen wurde. Dies wurde vom Landratsamt nicht zum Anlass genommen weitere Ermittlungen durchzuführen. Die Darlegungslast für das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen obliegt jedoch der Behörde (Kopp/Schenke, VwGO, 25. A. 2019, § 86 Rn. 12; § 113 Rn. 193




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